In Dublin gibt es zweifelsohne zahlreiche Orte, an denen man sich zu einem romantischen Date verabreden kann: im Park von St. Stephen’s Green, an der berühmten Ha’Penny Bridge, an einem der stadtnahen Strände oder einfach in einem kuscheligen kleinen Café. Bei mir darf es allerdings eher etwas mit „Gruselfaktor“ sein.
Und so ging es für mein Date und mich – zugegeben nicht gleich beim allerersten Treffen – mit Taschenlampe und einer Thermoskanne Kaffee bewaffnet, an einem kalten Novemberabend, in Richtung Dublin Mountains. Der Hellfire Club sollte unser Ziel sein. Halloween war gerade vorbei und so konnten wir wenigstens sicher sein, dass wir keiner Horde Verkleideter begegnen würden, denn wir wollten uns ja richtig gruseln. An der beleuchteten Straße und inmitten des dicht besiedelten Wohngebietes, wo uns der Bus abgesetzt hatte, wollte noch nicht so recht spannende Stimmung aufkommen (außer vielleicht zwischen meinem Date und mir). Doch schon bald schraubte sich die Straße, für irische Verhältnisse ziemlich steil, in die direkt an das Stadtgebiet angrenzende Berglandschaft. Hier und da noch vereinzelte Gehöfte, ein paar beleuchtete Fenster, ab und zu ein Auto; ansonsten nur wir beide, fokussiert auf den zunehmend anstrengender werdenden Aufstieg. Schließlich eine Abbiegung in den Wald hinein. Zunächst überquerten wir noch einen tagsüber vermutlich sehr belebten Parkplatz auf dem es allerlei Hinweisschilder gab, was man alles so in dem beliebten Naherholungsgebiet unternehmen konnte. Tipps für ein romantisches Date bei absoluter Finsternis waren nicht dabei. Eine Tafel, die ein breitgefächertes Netz an Wanderwegen zeigte, ließ erahnen, dass es hier selbst bei Tageslicht genügend Potenzial zum Verlaufen gab. Dass wir beide trotz Google Maps nicht gerade Orientierungsgenies waren, blieb unausgesprochen.
Weiter stapften wir über felsige Pfade gen Berggipfel. Inzwischen war auch die „Nottaschenlampe“ im Einsatz, da der Mond nicht genügend Licht durch die Baumkronen scheinen ließ, um stolperfrei auf dem unebenen Waldboden zu laufen. Trotz unserer Kurzatmigkeit wurden die Gespräche intensiver, was wahrscheinlich nicht zuletzt der zunehmenden Nervosität geschuldet war, die vor allem ich, „wegplappern“ wollte. Immerhin hatte ich vorher großspurig behauptet, dass es einiges braucht, um mich aus der Reserve zu locken. Bloß nicht zurückfallen, sondern Schritt halten, dachte ich mir die ganze Zeit. Zwar hatte ich ganz offensichtlich einen „Gentleman“ an meiner Seite, wollte aber keinerlei Risiko eingehen, plötzlich allein im Dunkeln herumzuirren. Kaum zu glauben, aber das erschien mir noch unheimlicher als nachts mit einem (fremden) Mann durch ein einsames Waldgebiet zu streifen.
Der Hellfire Club - Date mit Gruselfaktor
Wohlwissend dass die Wanderung nicht der eigentliche Teil zum Gruseln war, stieg das mulmige Gefühl mit jedem zurückgelegten Höhenmeter. Zeit mir weiter Gedanken darüber zu machen, ob ich nun eigentlich an Übersinnliches und paranormale Phänomene glaubte oder nicht. Denn Ziel unseres nächtlichen Ausfluges war der sogenannte Hellfire Club auf dem Montpelier Hill.
Wie der Name schon vermuten lässt, ist der Hellfire Club ein eher negativ behafteter Ort, um den sich zahlreiche mysteriöse Erzählungen ranken. Mitte des 18. Jahrhunderts von dem wohlhabenden Politiker William Connolly als Jagddomizil errichtet, verwandelte er sich schon bald in ein fragwürdiges Etablissement. Für den Bau hatte er offensichtlich die Steine eines neolithischen Ganggrabes genutzt, das sich vorher seit tausenden von Jahren an dieser Stelle befunden hatte.
Wahrscheinlich die erste Amtshandlung, die ihn oder vielmehr das Bauwerk in der Welt der übernatürlichen Kräfte in Ungnade fallen ließ. Denn schon kurze Zeit später wurde das Schieferdach von einem Sturm zerstört, was im abergläubischen Irland aufgrund der Vorgeschichte jedoch als „Teufelswerk“ angesehen wurde.
Nach dem Tod Connollys stand das Anwesen des Hellsfire Club zunächst leer und kam etwa 10 Jahre nach seiner Errichtung als Hellfire Club wieder in Nutzung. Unter Vorsitz des 1. Earls von Rosse versammelten sich unter erwähntem Namen mehrere Herren auf dem 383-Meter hohen Hügel zu Kartenrunden und exzessiven Trinkgelagen. Bis dahin klingt das noch nach einem ganz normalen Stammtisch, wie man ihn allerorts noch heute findet. Was der Legende nach sonst noch in den vier Wänden passiert sein soll, ist allerdings weniger behaglich und für gemütliche Männerabende wie wir sie verstehen und selbst unter massivem Alkoholeinfluss, eher unüblich. Regelmäßig soll Satan unter den Glückspielern erschienen sein, nicht zuletzt durch okkultistische Rituale gerufen.
Es waren jedoch zumeist neugierige Bewohner aus der Umgebung, denen ein grausames Schicksal widerfuhr, als sie herausfinden wollten, was im abgelegenen „Nachtclub“ so vor sich ging. Selbst schuld, dachte ich mir, wenn man sich so leichtsinnig in Gefahr begibt. Allerdings konnte ich in diesem Moment wohl kaum leugnen, dass wir nun diese neugierigen Bewohner waren…
Ein Bauer soll, nachdem ihn die Herren entdeckt hatten, in das Haus gezerrt worden sein. Dort konnte er zwar dem nächtlichen Spektakel beiwohnen und seine Neugier stillen, aber am nächsten Morgen wurde er völlig verstört in der Gegend herumirrend gesichtet. Er soll den Rest seines Lebens taub-stumm verbracht und sich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnert haben. Ein Schicksal, das wir heute Nacht auf keinen Fall teilen wollten. Insbesondere für mich wäre ein Leben in Schweigen unvorstellbar!
Wir näherten uns also der Ruine, die nach einem Exorzismus eines anderen neugierigen Bewohners das einzige war, was vom Hellfire Club übrig geblieben ist. Mit Weihwasser hatte ein Priester das Gemäuer angeblich in diesen Zustand versetzt. Wir hofften darauf dass, falls wir Dämonen begegnen würden, diese stattdessen mit heißem Kaffee und Sandwiches besänftigen konnten.
Ein Ort, den selbst so mancher Dubliner meidet
Nun gab es also kein Zurück mehr. Bevor wir uns der herrlichen Aussicht über Dublin widmeten, wagten wir uns zunächst in das Innere des zweistöckigen Bauwerks. Zuvor hatte ich meiner Begleitung ein Versprechen abgerungen, sich unter keinen Umständen zu weit von mir zu entfernen oder mich zu erschrecken – das erste Zugeständnis, dass ich doch nicht so mutig war, wie anfangs behauptet.
Es schlug uns ein modriger Geruch entgegen und das Licht der Taschenlampen wurde sofort von der Finsternis verschluckt. Auf dem Boden lag allmöglicher Unrat und ich musste mich entscheiden, was sicherer war – meinen Blick nach unten zu richten, um zu schauen wo ich hintrat oder in alle Ecken zu spähen um auf eventuelle unerwartete „Bewohner“ vorbereitet zu sein. Das Herz schlug mir bis zum Hals und diverse Horrorfilme zogen an meinem inneren Auge vorbei. Warum kann man in solchen Momenten nicht einfach an was Schönes denken? Wir stiegen die eingefallenen Stufen bis in das zweite Stockwerk hinauf und als uns dort auch keine bösen Überraschungen erwarteten, konnte ich das erste Mal aufatmen. Trotz fehlender Dämonen hatte die Atmosphäre im Haus etwas Bedrohliches und selbst als nicht außerordentlich spiritueller Mensch wollte ich mich nicht länger als nötig an diesem Ort aufhalten.
Zeit für einen wohlverdienten und wärmenden Kaffee mit Blick auf das riesige Lichtermeer der Stadt, musste allerdings noch sein. Schon allein dafür – und natürlich auch wegen des Nervenkitzels – hatte sich der Aufstieg gelohnt. Alles in allem ein rund um gelungenes Date ganz nach meinem Geschmack.
Wer sich lieber in der Gruppe gruseln will, der kann an einer geführten Tour von Hidden Dublin Walks teilnehmen. If you dare…!!!
Gastartikel – Wer hat’s geschrieben?
Sylvia hat und hatte beruflich schon immer mit Irland zu tun. Anfang 2014 hat sie sich ihren Traum erfüllt und ist auf die Grüne Insel ausgewandert. Sie berichtet, sozusagen direkt „von der Quelle“, über’s Auswandern im Allgemeinen, den irischen Alltag, gibt Tipps für Ausflüge und die ein oder andere Pubempfehlung.