Ich muss etwa 20 gewesen sein, als ich mein Studium beendete. Ich hatte es nur drei Monate zuvor angetreten. Mit dem Abitur in der Tasche war ich voller Selbstsicherheit an die Uni gekommen. Doch schon nach kurzer Zeit wusste ich nicht mehr, warum ich eigentlich studierte. Per Zufall kam dann das Angebot nach Kanada zu gehen und Bekannten meiner Mutter beim Aufbau eines Ferienressorts im Land des Ahorns zu helfen.

Ich sagte zu. Bei meiner Ankunft Mitte März lag der Schnee meterhoch und die Temperatur deutlich unter null Grad. Dort, im Nirgendwo am Ottawa River, eine halbe Stunde entfernt vom nächsten Ort, der nicht viel mehr als eine Tankstelle beherbergte, verbrachte ich ein ganzes halbes Jahr. Sechs Monate, die meine Gedanken und Gefühle in den darauffolgenden Jahren unaufhaltsam prägen sollten – und die noch heute nachwirken.

In Westmeath war es nachts so still, dass ich trotz der Dämpfung durch den Schnee die Wölfe heulen hören konnte – während das Nordlicht am Himmel tanzte. Unvergessen auch der Geruch des Stinktiers, der sich im Fell des Hofhundes Troll festgesetzt hatte. Oder der Tag an dem dieser kleine Trottel mit den Stacheln eines Stachelschweins in der Nase jaulend auf den Hof zurückkehrte. „Kanada ist eine andere Hausnummer, Troll“, höre ich mich noch heute in Gedanken zu  ihm sagen. „Hier hat die Natur das Sagen“.

„I give a fuck about global warming. It’s fucking cold outside.“

Im Niemandsland in Kanada Blockhäuser zu bauen, war zu dieser Zeit weder mein Ziel noch ein Traum von mir gewesen. Ich ahnte schließlich nicht, dass es meine Welt auf den Kopf stellen und ich dort Menschen treffen würde, die meinen Blick auf ebendiese für immer verändern sollten.

Da gab es zum Beispiel John vom Timber Mart in Beachburg, zu dem ich mit meinem 20 Liter Benzin schluckenden, schwarzen GMC Pick-up mit Harley Davidson-Aufkleber und durchgerostetem Boden fuhr, um 2by4- und 2by6-Kanthölzer zu kaufen. An einem bitterkalten Morgen empfing er mich mit dem Satz: “I give a fuck about global warming. It’s fucking cold outside.“
Oder der sonnenbankgebräunte Caterpillar-Besitzer Buckwalt (eigentlich war sein Name Buchwald, aber das konnte keiner aussprechen), der mir – begleitet von der Aussage „Big toys for big boys“ – mit seinem dreiarmigen Kran bewies, dass sich damit eine Glühbirne filigran in die Erde drücken lässt.
Auch erinnere ich mich an den Besitzer eines Holzfachhandels, der mir anbot, sein Unternehmen für eine Million kanadische Dollar zu kaufen. Ich fragte ihn, was er mit dem Geld vorhabe. „Ich kaufe ein altes Steinhaus auf Neufundland und lasse dort Topmanager viel Geld für ein Survival-Training bezahlen“, war seine Antwort. Damals klang das für mich sehr merkwürdig. Heute behaupte ich: Mit dieser Idee war er seiner Zeit damals schon weit voraus.

Skyline Trail in Cape Breton

„Big toys for big boys“

Das halbe Jahr im Ausland verging für mich wie im Flug. Zurück in Deutschland entschied ich mich für eine Ausbildung zum Zimmermann in der Eifel. Meine Liebe zum Holz war seit meinem Aufenthalt im Land des Ahorns ungebrochen und ich wollte mit einer Ausbildung in der Tasche zurückkehren. Was ich 2 Jahre später tat.

2006 ging es nach British Columbia, Alberta und nach Vancouver Island. Es folgten 2 berauschende Monate mit lauter großartigen Eindrücken und Geschichten. Erneut war ich diesem Land erlegen. Den endlosen Wäldern, überragt von spitzen Bergen, und den Menschen, deren Freundlichkeit und Gelassenheit  mich beeindruckte – ganz besonders auf Vancouver Island. Dort fragte mich ein junger Kanadier, der mich per Anhalter mitnahm, wo ich denn genau hin wolle. Es sei schließlich Sonntag und eine kleine Spazierfahrt wäre schon in Ordnung. Und auch an den Hinweis einer Lady erinnere ich mich noch gut, die mir aus dem Auto zurief, ich solle ein weniger schneller laufen, denn ein paar hundert Meter hinter mir sei ein Bär unterwegs.

Zurück in Deutschland begann ich ein Studium der Geographie. Doch ging mir Kanada, das Land des Ahorns, nicht aus dem Kopf. Ich wollte zurück – am liebsten sofort. Bei Timberwolf Tours in Edmonton suchten sie Guides und West Canada Bikes bot eine Reise auf einer alten Bahntrasse von den Rockies nach Penticton an. Das alles ließ mich nicht los. Ich verbohrte mich in den Gedanken, Guide im Land des Ahorns zu werden. Auf die beiden Jobangebote meldete ich mich trotzdem nie.

East Coast Trail, La Manche

„Ich verbohrte mich in den Gedanken, Guide im Land des Ahorns zu werden“

Viele Jahre sind nun vergangen, viele Möglichkeiten habe ich außer Acht gelassen. Und doch bin ich der Sache ganz schön nahe gekommen. Meine Aufgabe heute ist es, neue Reiseideen zu entwickeln. Mit Pioniergeist und Tatendrang gehe ich dieser Arbeit täglich nach. Im Frühjahr 2017 war es dann so weit. Ich fuhr auf eine Erkundungstour nach Ostkanada – vierzehn Jahre nach meinem ersten Besuch. Es fühlte sich an, als würde sich ein Kreis schließen.
Ich bereiste die atlantischen Provinzen, die mich an vielen Stellen an Irland, Schottland, Norwegen oder Schweden erinnerten. Ich entdeckte die Verschmelzung alter europäischer Kulturen auf neuem Land, die ich mit anderen teilen möchte. Und ich wusste wieder, dass mich das Land des Ahorns nach wie vor begeistert. Es ist diese Weite und die geringe Besiedlung, die das Gefühl ausmachen, in Kanada zu sein. Ein Gefühl, das einen nicht loslässt. Und das mir heute vor Augen führt, wie schnell sich die Welt doch dreht.

Trout River, Gros Morne Nationalpark - Im Land des Ahorns

„Auch in Kanada bekommt man Zahnschmerzen“

Als Zwanzigjähriger war ich erfüllt von Idealismus. Deutschland kam mir klein vor, eng, langweilig. Zu viele Autos, zu viel Grau. Das ist noch heute so – mal mehr, mal weniger. Aber jetzt weiß ich – und so hatte es schon Stefan, mein Mentor 2004 in Westmeath zu mir gesagt : Auch in Kanada bekommt man Zahnschmerzen.

Gros Morne Nationalpark

Mit Chris ins Land des Ahorns? – Kein Problem!

Kanada bietet Stoff für große Träume. Wer jetzt auch von einer Reise nach Kanada träumt, der hat dazu im Jubiläumsjahr von Highländer Reisen die Möglichkeit.

An gleich zwei Terminen geht es für jeweils zwei Wochen auf Entdeckerreise nach Ostkanada. Auf der anderen Seite des Atlantiks haben Highländer-Gäste die Gelegenheit, in kleiner Gruppe u.a. mit Chris Neufundland und Neutschottland zu erkunden.

Reisetermine: 18.08.2018 – 01.09.2018 (Garantierte Durchführung!) & 01.09.2018 – 15.09.2018
Reisepreis: ab 2.250,- €
Weitere Informationen und Buchung unter www.highlaender.de/HKO

Crescent Beach, Halifax in Kanada