Als ich in die Schule kam und schreiben lernte, konnte ich es kaum erwarten endlich meine ganz eigene Handschrift zu haben. Ich wollte schreiben „wie die Großen“ und fragte ungeduldig immer wieder meine ältere Schwester, wann es denn endlich so weit sein würde mit der „Erwachsenen-Schreibschrift“ und wie lange ich dafür noch üben müsse.

Wie kindisch, denke ich heute rückblickend, denn irgendwann war sie natürlich ohne großes Zutun da, meine individuelle Handschrift und heute wünsche ich mir manchmal, sie würde sich noch einmal ändern, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Obwohl ich diese Erkenntnis schon einmal gewonnen hatte, beschlich mich eine ähnliche Ungeduld als ich mit meinem einfach auszumachenden, deutschen Akzent meine ersten Small Talks in Irland führte. Bekanntlich kommt man hier schnell mit Einheimischen ins Gespräch, selbst wenn man lediglich nach dem Weg fragt oder auf den Bus wartet. Früher oder später wurde mir meist die Frage gestellt, aus welchem Teil Deutschlands ich denn käme, denn an dem Herkunftsland an sich bestand keinerlei Zweifel. Eigentlich ist da ja nichts dabei, aber nach einer Weile frustrierte es mich schon ein wenig. Während man am Anfang lediglich den Anspruch hat, einen fehlerfreien Satz in der Fremdsprache herauszubringen, wollte ich inzwischen nicht mehr immer sofort als Ortsfremde identifiziert werden. Nicht dass ich meine Nationalität verleugnen wollte; es ging für mich vielmehr darum, sagen zu können, „Hey, ich lebe jetzt hier und bin Teil dieser Kultur und somit auch Sprache.“ Ich wollte einfach dazugehören – wie damals in der Schule mit der Erwachsenenschrift.

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Wo bekomme ich denn nun einen irischen Akzent her?

Versuchen den irischen Akzent halbherzig zu imitieren war keine Option – zumal sich da auch die Frage stellen würde, welchen. Von Nord nach Süd und Ost nach West unterscheiden sich die Dialekte auf der Insel mindestens so stark wie das Wetter. Allein schon in Dublin gibt es wahrscheinlich beinahe so viele verschiedene Dialekte wie Einwohner. Vor noch nicht allzu langer Zeit, als Dublin noch nicht so „multi-kulti“ war und viele noch in ihrem Viertel wohnen blieben, konnte man die Herkunft anhand der Sprache fast straßengenau bestimmen. Das mochte einerseits praktisch gewesen sein, konnte aber auch zum Nachteil werden, wenn die Gegend einer gewissen sozialen Schicht zugeordnet wurde und einem das mitunter die Jobsuche erschwerte. (In dem Fall wäre mein deutscher Akzent von Vorteil gewesen, denn immerhin verbindet man damit Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit.)

Ich wage jedoch zu behaupten, dass die Aussagekraft des Dialektes trotz aller sicherlich noch vorhandenen Vorurteile nicht mehr ganz so drastisch ist. Allerdings existiert nach wie vor eine (scherzhafte!?) Rivalität zwischen dem nördlichen und südlichen Dublin, wobei der Fluss Liffey die Grenze markiert. Die Stadteile südlich davon gelten eher als „chic“ und der Norden ist als weniger nobel verpönt. Ausnahmen bestätigen wie immer auch hier die Regel.

Eine ganze Weile stellte man mir also noch die eingangs erwähnte Frage woher aus Deutschlands ich denn wäre. Bald wandelte sich das schon in „Du bist nicht von hier, aber woher du genau kommst, ist schwer zu sagen.“ Man ordnete mich nach Holland, Amerika und alle möglichen anderen Länder ein. Mal störte es mich mehr, mal weniger, aber ich versuchte mich nicht zu verbiegen.

Eines Tages kam ein Bekannter zu Besuch, den ich schon länger nicht gesehen hatte. Nach einer kurzen Begrüßung sagte er: „Mensch, du bekommst langsam einen richtig Dubliner Akzent“ (bis auf den Stadtteil genau hat er es aber nicht spezifiziert J). Insgeheim konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Eine belanglose und wahrscheinlich halb scherzhaft gemeinte Bemerkung, die für mich irgendwie so wichtig war, weil ich sie mit dem Ankommen in meinem neuen Zuhause verknüpfte. Ein weiterer Schritt des Einlebens in die irische Kultur war getan und nun auch nach Außen hin hörbar.

Das 1×1 des irischen Dialekts

Wer sich wie ich in Dublin nicht gleich als „Touri“ outen möchte, dem seien hier noch die Grundregeln des irischen Akzent nahegelegt. Vergessen ist dabei was uns Deutschen solange mit Mühe in der Schule eingebläut wurde: In Dublin bleibt im wahrsten Sinne des Wortes das „u“ ein „u“ und somit ist Spaß kein „Fann“, sondern schlicht und ergreifend „Funn“, am besten noch mit einem schön in die Länge gestreckten „uuu“. Obwohl man demnach ja eigentlich schon einen U-Laut hat, wird auch das „o“ nicht selten noch zu selbigem umfunktioniert. So kann aus einem „lovely“, was im „normalen“ Englisch ja eher einem A-Laut entspricht, schon mal eben ein „luvely“ werden.

Auch das so oft bis zur Verzweiflung und mit jeder Menge feuchter Aussprache geübte „th“ wird von den Iren nicht so richtig ernst genommen. Die Zahl „three“ hört sich also genau an wie der Baum („tree“), aber auch daran gewöhnt man sich schnell. Wie viele unterschiedliche Bedeutungen die nicht ganz salonfähige Aussage „What the f***“ je nach Tonfall haben kann, erörtere ich dann vielleicht ein anderes Mal…

Gastartikel – Wer hat’s geschrieben?

Sylvia hat und hatte beruflich schon immer mit Irland zu tun. Anfang 2014 hat sie sich ihren Traum erfüllt und ist auf die Grüne Insel ausgewandert. Sie berichtet, sozusagen direkt „von der Quelle“, über’s Auswandern im Allgemeinen, den irischen Alltag, gibt Tipps für Ausflüge und die ein oder andere Pubempfehlung.

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