Nach der Schule oder der Ausbildung ins Ausland zu gehen ist heutzutage nichts ungewöhnliches mehr. Und wie das viele junge Leute so machen, entschied also auch ich mich 2013 dazu, ein Jahr lang herum zu reisen. Meine Wahl fiel ziemlich schnell und sehr entschlossen auf die beiden grünen Inseln: Irland und Neuseeland! Nach Neuseeland, fragte mich niemand, aber Irland irritierte viele zunächst: „Warum Irland?“, bin ich oft gefragt worden, „da regnet es doch nur“. Ich überlegte kurz und war mir sicher, dass der Regen nicht so schlimm sein kann, wie die gestressten Deutschen, die für mich zum damaligen Zeitpunkt unerträglich waren. Es war deutlich zu spüren: Ich musste dringend raus hier und hoffte darauf, die irische Gelassenheit zu finden.

Ein Land, ein Ziel: ohne Terminkalender und Stress zu leben

Ich war zuvor noch nie in Irland unterwegs gewesen, hatte aber genaue Vorstellungen von dem Land: grün, schön, musikalisch, rothaarig, entspannte Leute, ja gut und regnerisch. Also startete ich im März 2013, um mich davon zu überzeugen, ob meine Vorstellungen zutreffen UND mit einem ganz persönlichen Ziel: Ich wollte ohne Terminkalender und ohne typisch deutschen Stress leben. Das ist nicht ganz so einfach für mich, denn eigentlich mag ich Ordnung, Pünktlichkeit und Struktur.

In Irland angekommen, stellte ich mir dann erst einmal folgende Frage: Was zur Hölle machst du hier überhaupt und wie kommst du möglich schnell wieder zurück? Da ich aber mein Auto verkauft und meinen Job gekündigt hatte und noch dazu eine riesen Abschiedsparty feierte, dachte ich mir, es wäre doch sehr lächerlich, jetzt wieder zurück zu fliegen und alles abzubrechen. Also Zähne zusammengebissen und den Blick nach vorne gerichtet.

Markt in Irland

Bewerbung, Zeugnisse & Co. – „You don’t need this in Ireland“

Also begann ich gleich an Tag 2 mich um einen Job zu kümmern. Mit meiner perfekten Bewerbung, natürlich sorgfältig auf Englisch übersetzt und sämtlichen Kopien meiner Zertifikate und Zeugnisse im Gepäck, begab ich mich in das Büro eines Unternehmens, das Backpackern bei genau solchen Dingen hilft.

Die nette Frau lachte etwas und gab mir meinen Stapel Dokumente mit den Worten „You don`t need this“ zurück und erklärte mir, dass ein zweiseitiger Lebenslauf für eine Bewerbung ausreicht. „Toll“, dachte ich „das waren etwa drei kg meines Gepäcks“. Ich änderte also schnell meinen Lebenslauf ab und versendete um die 20 Bewerbungen.

Innerhalb meiner ersten Woche hatte ich gleich fünf Bewerbungsgespräche in den unterschiedlichsten Bereichen und drei Jobzusagen:

  • Callservice – wollte ich nicht
  • Fundraising – einen Tag gemacht und richtig versagt
  • Au Pair – das habe ich dann zugesagt
An Irlands Klippen

Die irische Gelassenheit & Ruhe überträgt sich schnell

Alle anderen Backpacker um mich herum hatten noch keinen Job. Warum eigentlich nicht? Es war ja schließlich schon über eine Woche vergangen. Und sie machten auch keinen Anschein, sich einen zu suchen. Allgemein spürte ich, dass das Leben hier offensichtlich etwas anders läuft: Bewerbungen bestehen nur aus zwei DINA4-Seiten und nach der Arbeit geht es gleich in den Pub, wo Anzugträger und Sozialarbeiter gemeinsam an der Theke sitzen und sich bei einem Pint Guinness unterhalten. Hier nimmt man sich immer Zeit für ein kurzes Gespräch, auch wenn man eigentlich dringend den Bus bekommen müsste.

Drei Wochen arbeitete ich als Au Pair und war unglücklich. Ich war etwas erschrocken darüber, dass ich meine zwei Ziele völlig aus den Augen verloren hatte und dass ich offensichtlich gegen den Strom schwimme. Es blieb also nur eins: kündigen und Dublin verlassen!

Irish Fleadh Dance Lesson

Ich lebte bei den Locals und lebte die irische Gelassenheit

Ich fing an zu reisen, bei den Locals zu leben und die Kultur und Geschichte, die Lebensphilosophie und die irische Gelassenheit kennen zu lernen und sie zu leben. Schnell konnte ich es mir gar nicht mehr anders vorstellen! Die meisten Menschen sind sehr entspannt und scheinen sich nur selten aus der Ruhe bringen zu lassen. Die wundervolle Natur trägt dazu mit Sicherheit einiges bei.

Tja, und so kam es, dass ich in den folgenden Monaten eine unglaubliche Zeit bei den Iren hatte, viel von der Insel gesehen habe, Lieder mitsingen konnte, den Irish Folk Dance lernte UND keinen festen Job mehr suchte. Ich hatte lediglich einige kleinere Jobs (Farmarbeit, Guesthouse usw.), allerdings nie für Geld, sondern immer nur für Unterkunft und Essen.

Heute, knapp fünf Jahre später, kann ich sagen, dass mich diese Zeit in Irland doch sehr geprägt hat und ich die irische Gelassenheit so gut es geht auch hier in Deutschland versuche zu leben! Genau das versuche ich auch meinen Gästen zu vermitteln, wenn es für mich als Reiseleitung auf die Grüne Insel geht.

Hanna Rath

Wer hat das geschrieben?

Hanna hat sich bereits in Irland verliebt, noch bevor sie überhaupt dort war. Die Musik und die Erzählungen über Irland haben sie 2013 dazu gebracht, sich selber davon zu überzeugen. Also hat sie ihre Sachen gepackt und für sechs Monate dort gelebt und fast alle Ecken Irlands bereist. Und wurde nicht enttäuscht! Ihre Reiselust wurde durch dieses Abenteuer gepackt und so ist sie weitergereist, nach Neuseeland, Australien und Thailand und irgendwann sesshaft geworden im schönen Köln.